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Von grün zu oliv: Wie die DWS ESG-Fonds aufrüstet
Wie nachhaltig sind die Fonds großer deutscher Banken wirklich? Ein Blick hinter die Kulissen überrascht. Ist ihre Bank auch dabei?

Nachdem der Vermögensverwalter des Allianzkonzerns pünktlich zum „Fest des Friedens“ (Ostern) verkündet hat, seine nachhaltigen ESG-Fonds – und damit die bisher investierten Kundengelder – künftig für Investitionen in Rüstungskonzerne freizugeben, war es nur eine Frage der Zeit, bis die DWS nachzieht.
Offen gesagt hätte ich die Deutsche-Bank-Tochter bei dieser Schmierenkomödie sogar als Erste erwartet – insbesondere, wenn man bedenkt, wie oft Staatsanwaltschaften weltweit die Büros des Konzerns durchsuchen. Dem Unternehmen war in den letzten Jahrzehnten der eigene Ruf herzlich egal, solange die Rendite stimmte. Die Liste der Vergehen und Marktmanipulationen ist lang. Zuletzt musste die DWS wegen Greenwashing eine Strafe von 25 Millionen EUR zahlen. Die DWS, Vermögensverwalter der Deutschen Bank, hat nun angekündigt, ihre ESG-Fonds künftig auch für Investitionen in die Rüstungsindustrie zu öffnen. Diese Entscheidung markiert einen bedeutenden Wandel in der Anlagestrategie und wirft grundsätzliche Fragen zur Definition von Nachhaltigkeit auf.
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ESG-Kriterien (kurz): ESG steht für
Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). Diese Kriterien helfen, die Nachhaltigkeit und
ethische Qualität einer Geldanlage zu bewerten – etwa durch CO₂-Ausstoß, Arbeitsrechte, Korruptionsvermeidung und vor allem ohne die Lebensgrundlagen künftiger Generationen zu gefährden.
Hintergrund der Entscheidung
Stefan Hoops, CEO der DWS, erklärte in einem Interview mit Bloomberg, dass die bisherigen Beschränkungen – Investitionen in Unternehmen mit mehr als 10 % Umsatzanteil im Verteidigungsbereich – aufgehoben werden sollen. Diese Regeländerung betrifft Fonds, die den „DWS Basic Exclusions-Filter“ anwenden. Ab dem 21.05.2025 wird es diesen Fonds erlaubt sein, in Unternehmen zu investieren, die zuvor aufgrund ihrer Aktivitäten im Verteidigungssektor ausgeschlossen waren. Investitionen in Streumunition und andere sogenannte „kontroverse Waffen“ bleiben ausgeschlossen.
Vorerst – das würde ich kühn einschieben. Die Tür ist weit geöffnet. Denn selbst Unternehmen, die im Bereich der Atomwaffen tätig sind – sofern sie im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags agieren – sind in ESG-Fonds nun ebenfalls erlaubt. Wer moralisch so flexibel ist, dem sind letztlich auch Landminen oder Streumunition egal. Keine Geldanlage ist moralisch neutral. Jede Investition trifft eine Entscheidung – und wer in Rüstung investiert, fördert letztlich Kriege. Die Auswirkungen, Verletzungen und Verstümmelungen, die die Opfer tragen, sind nicht abstrakt.
Begründung und Branchenentwicklung
Die DWS rechtfertigt diesen Schritt mit einer breiten Neuausrichtung der europäischen Investmentbranche. Fondsmanager in Europa suchen vermehrt nach Möglichkeiten, die Verteidigungsindustrie zu finanzieren, deren geopolitische Bedeutung angesichts globaler Spannungen zugenommen hat. Diese Entwicklung hat auch dazu beigetragen, dass die Anlagerenditen in diesem Sektor gestiegen sind.
Bei der Gelegenheit verweise ich noch einmal auf meinen Artikel Nachhaltigkeit à la Allianz. Denn bis auf die schamlos ehrliche Aussage, dass es um kurzzeitiges Gewinnstreben geht, ist diese Begründung – ebenso wie bei der Allianz – komplett hanebüchen. Kunden, die in das Geschäft mit dem Krieg investieren wollen, haben Möglichkeiten: Es gibt ETFs auf Rüstungsgüter und zahlreiche Investmentfonds ohne den Zusatz „Nachhaltigkeit“, die frei in diesen Sektor investieren können. Warum also muss man explizit das Geld jener Anleger zweckentfremden, die sich bewusst gegen solche Beteiligungen entschieden haben?
Auswirkungen auf Anleger und ESG-Kriterien
Die Entscheidung der DWS könnte weitreichende Auswirkungen auf Anleger haben, die Wert auf nachhaltige Investments legen. Die Integration von Rüstungsunternehmen in ESG-Fonds stellt die bisherige Definition von Nachhaltigkeit infrage und könnte das Vertrauen der Anleger in solche Produkte massiv beschädigen. Es bleibt abzuwarten, wie der Markt und die Investoren auf diese Veränderung und letztlich Betrug am Kunden reagieren werden.
Da diese Nachricht an den meisten Menschen vorbeigeht – und wohl kaum in der Tagesschau thematisiert wird –, ist zu vermuten, dass viele nun unwissentlich in Rüstung investieren. Betroffen sind unter anderem aktive DWS-Fonds für Einmalanlagen und Sparpläne, vermögenswirksame Leistungen, Kindersparpläne sowie ETFs der Marke Xtrackers by DWS.
Produkte der DWS finden sich auch in zahlreichen anderen Finanzlösungen: sei es in der privaten oder betrieblichen Altersvorsorge, in Riester- oder Rürup-Verträgen – entweder direkt über die DWS oder indirekt über db-Leben oder die Zurich Lebensversicherung.
Auch der für seine aggressive Vertriebsstrategie bekannte Strukturvertrieb Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG) vertreibt Fonds der Deutsche-Bank-Tochter DWS sowie Investmentangebote von Allianz Global Investors. Die Zielgruppe dieser Angebote sind vor allem Menschen aus der unteren bis mittleren Einkommens- und Bildungsschicht – also ausgerechnet jene Bevölkerungsschicht, die im Falle eines Krieges häufig an vorderster Front als "Kanonenfutter" eingesetzt wird.
Und die anderen?
Union Investment, die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, investiert über konventionelle Fonds in Unternehmen der Rüstungsindustrie. Nachhaltige Fonds der Union Investment sind derzeit noch frei von solchen Beteiligungen – doch angesichts der historischen Verwicklung in die Finanzierung von Atomwaffen (über die DZ Bank) scheint eine Lockerung dieser Regeln, getreu ihrem Motto „Wir machen den Weg frei“ nur eine Frage der Zeit.
Die Commerzbank mit ihrer Marke comdirect hatte sich auf ihrer Hauptversammlung 2024 öffentlich verpflichtet, keine Rüstungsinvestitionen zu tätigen. Nur wenige Monate später, im März 2025, war davon nichts mehr übrig. Mit Zustimmung des Großaktionärs UniCredit, in Deutschland bekannt mit ihrer Marke HypoVereinsbank, öffnete sich die Commerzbank dem Geschäft mit der Waffenindustrie – ein Bruch mit den eigenen Versprechen. Überraschend? Nicht wirklich. Denn die Commerzbank ist auch bei der Finanzierung von Atomwaffen immer ganz vorn dabei. Selbst im Jahr 2024 waren es nur Lippenbekenntnisse.
Deka (Sparkassen) kritisiert die Öffnung von Nachhaltigkeitsfonds für Rüstungsaktien, hat darüber hinaus aber keine Berührungsängste und investiert auch die Einlagen der Kunden in Rüstung. In vielen Fonds der Deka Gruppe sind die Rüstungsaktien zu finden, und selbst ein eigener Fonds wurde dafür im Februar 2025 eiligst aus dem Boden gestampft.
Ist der Markt alternativlos?
Nun, nicht wirklich. Zum Glück gibt es mit dem neuen ICAN-Report „Don’t Bank on the Bomb“ weiterhin hervorragende Quellen, die Anbieter mit scheinbar weißer Weste entlarven. Der Unterschied zum Vorjahr ist nur: Die Banken gehen heute vollkommen ungeniert mit dem Thema um. Es gibt einige Finanzinstitute und Versicherungslösungen, die man besser meiden sollte. Gerade auch die großen ETF-Anbieter wie Vanguard oder BlackRock mit iShares – selbst mit ihren Nachhaltigkeitslösungen – sind ein ziemlich mieses Geschäft für die Welt.
Wer nachhaltig einkauft, auf fairen Handel achtet, selbst Kinder in die Welt gesetzt hat und Longevity-Strategien verfolgt, um länger gesund zu leben, sollte sich beim Thema Rüstung und Atomwaffen durchaus Gedanken machen. Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit, wie sie Verteidigungsminister Pistorius im feinsten Goebbels-Jargon fordert, haben in der Geschichte noch nie zu Frieden geführt – sondern eher in die andere Richtung. Abgesehen davon, dass es totes Kapital ist.
Es gibt eine Reihe von Alternativen, die vollständig auf Rüstung und die Zerstörung der Schöpfung verzichten. Es gibt Anlagen, die das Leben als höchstes Gut schützen – und gleichzeitig sehr attraktive Renditen erzielen. Vom Geldmarktfonds über Multi-Asset-Strategien bis hin zu Branchenfonds ist alles verfügbar, was das Herz begehrt. Wenn aber selbst als nachhaltig etikettierte ESG-Anlagen keinen Schutz und keine Kaufempfehlung mehr bieten, bedarf es am Ende fachkundiger Beratung – und vor allem eines regelmäßigen Controllings der Ausschlusskriterien.
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12.04.2025 | Newsblog | Nachhaltigkeit à la Allianz: Wenn Rüstung plötzlich grün wird
23.04.2025 | Bloomberg | DWS hebt Beschränkungen für Rüstungsgüter-Anlagen auf
25.04.2025 | ASS Compact | DWS öffnet ESG-Fonds für Investitionen in Rüstung
30.04.2025 | Newsblog | Neuer ICAN-Report „Don’t Bank on the Bomb“
02.04.2025 | CAPITAL | DWS muss 25 Mio. Euro Strafe zahlen wegen Greenwashing
30.11.2023 | Süddeutsche Zeitung | Bürgerbewegung "Finanzwende" erhebt schwere Vorwürfe gegen Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG)
24.12.2024 | Newsblog | „Don’t bank on the bomb“ der Weihnachtsgruß
20.03.2025 | Commerzbank/ Handelsblatt | Bank setzt auf Rüstungsgeschäft
08.04.2025 | Handelsblatt | Deka kritisiert Öffnung von Nachhaltigkeitsfonds für Rüstungsaktien
03.09.2018 | ICAN Deutschland | Ein Bombengeschäft – Volks- und Raiffeisenbanken … wir machen den Weg frei
immer aktuell | Website | Nachhaltigkeit | ESG-Kriterien Langversion
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