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Investmentnews 03 | 2025

Kapital im Umbruch – Investieren im nächsten Jahrzehnt
Niemand besitzt eine Glaskugel, um in die Zukunft zu blicken. Doch eines ist offensichtlich: Es braut sich etwas zusammen. Die Welt, wie wir sie kannten, gerät ins Wanken.
Altbekannte Gewissheiten – etwa dass Zölle Gift für den Welthandel sind, weil sie letztlich nur die Preise für Endverbraucher in die Höhe treiben, dass niedrige Zinsen, offene Märkte und stetiges Wachstum selbstverständlich sind – bröckeln.
Stattdessen prägen neue Kräfte das Bild: demografischer Druck, geopolitische Blockbildung, Klimastress – und ein 1,5-Grad-Ziel, das faktisch bereits verfehlt wurde.
Was bedeutet das für die Geldanlage im kommenden Jahrzehnt?
Die Babyboomer gehen in Rente – und zehren ihr Kapital auf.
In Europa und weiten Teilen der Industrieländer ist der demografische Wandel keine ferne Theorie mehr, sondern statistische Realität: weniger junge Menschen, mehr Alte. Das hat Folgen – für die Produktivität, das Konsumverhalten und die Kapitalmärkte.
Eine Gesellschaft mit steigendem Altenquotienten muss ihre Ressourcen neu verteilen. Rentensysteme geraten unter Druck. Die Erwerbsbevölkerung schrumpft – und mit ihr die Zahl jener, die sparen, investieren, konsumieren. Gleichzeitig treten ganze Generationen in den Ruhestand und entnehmen Kapital. Die Auswirkungen auf Zinsen, Inflation und Vermögensverteilung sind tiefgreifend.
Philippe Waechter, Chefökonom von Ostrum AM, bringt es auf den Punkt:
„Gelingt es uns nicht, durch Migration oder hohe Produktivitätssteigerungen Mehreinnahmen zu erwirtschaften, werden wir schwer verdauliche Tatsachen akzeptieren müssen – wie einen niedrigeren Lebensstandard.“
Schwellenländer: Von der Peripherie ins Zentrum
Lange Zeit galten die Emerging Markets als Rohstofflieferanten und Exportbasen für den Westen. Heute kämpfen sie um ihren eigenen Platz in der Weltordnung – technologisch, politisch, finanziell.
Indien hat China als Hoffnungsträger für Investoren teils überholt. Viele Länder in Asien, Lateinamerika oder Afrika sind heute weniger abhängig vom US-Dollar, besser organisiert und widerstandsfähiger. Der Begriff „Schwellenländer“ wird ihrem Reifegrad kaum noch gerecht.
Vielleicht sprechen wir 2035 nicht mehr von den BRICS, sondern von den „neuen Playern“ – wirtschaftlich, geopolitisch, auch börsentechnisch.
Europäische Union: Zu viel Regulierung und zu lange zu wenig Investition
Im Vergleich zu den USA hinkt Europa hinterher – bei Forschung, Unternehmensinvestitionen, Start-ups, Digitalisierung und nicht zuletzt beim Vertrauen in Kapitalmärkte.
Wir haben in der EU nicht einmal ein eigenes und einheitliches Zahlungskarten-Netzwerk, das Transaktionen autorisiert, abwickelt und zwischen Banken, Händlern und Acquirern verrechnet. Stattdessen verlassen wir uns seit Jahrzehnten auf Mastercard und Visacard. Indien und China hingegen haben früh erkannt, dass Abhängigkeit von den USA ein strategischer Fehler ist – und ihre eigenen Netzwerke aufgebaut.
In vielem wirkt die Europäische Union wie eine Ansammlung von Staaten auf dem Niveau früherer Entwicklungsländer – inklusive einer stillschweigend akzeptierten Korruption (Lobbyismus) auf den höchsten Ebenen. Eine Vision oder formulierte Zukunftsstrategie fehlt. Die Schlafwagenpolitik einer Angela Merkel hat sich EU-weit manifestiert.
Während die USA auf Pragmatismus und Risikobereitschaft setzen, dominiert in Europa ein Regulierungsdickicht. Die Folge: Kapital wandert ab, Innovationen stocken. Dass europäische Aktien derzeit steigen und Kapital zurückfließt, halten viele nicht für nachhaltig.
Dabei ist der Kapitalbedarf riesig: Allein für Digitalisierung und Energiewende müssten in der EU in den kommenden Jahren über 5 Billionen EUR mobilisiert werden. Wenn Europa nicht lernt, Kapital anzuziehen und effizient einzusetzen, bleibt es Zuschauer im globalen Strukturwandel – inklusive stark steigender Zinsen im Namen der Aufrüstung.
Klimawandel und Migration: Politische Sprengkraft trifft Finanzrealität
Die nächste industrielle Revolution ist grün. Aber sie kommt nicht von selbst. CO₂-Speicherung, Energiewende, Infrastrukturumbau – all das kostet Kapital, erzeugt Inflation und schafft Verlierer. Die Hoffnung auf technologische Wunder darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Veränderungen vor allem politisch erzwungen werden.
Gleichzeitig zwingt der demografische Wandel Europa dazu, seine Haltung zur Zuwanderung grundlegend zu überdenken. Ohne Migration droht der wirtschaftliche Kollaps. Die gesetzlichen Rentenversicherungssysteme in Europa leben vom Mythos der Verlässlichkeit – auch in Zeiten schrumpfender Geburtenraten. Doch ein Umlagesystem nach dem sogenannten „Bismarck-Modell“, das in vielen europäischen Ländern als Orientierung gedient hat und den Nachwuchs ausblendet, ist wie ein Haus ohne Fundament. Es bricht nicht sofort zusammen, aber jeder neue Riss zeigt: Die Statik stimmt nicht mehr.
Berechnungen für Deutschland gehen von jährlich rund 400 000 Zuwandernde aus, die als notwendig erachtet werden, um die Stabilität von Renten- und Sozialsystem zu gewährleisten. Denn im Jahr 2035 werden wir den Höhepunkt der demografischen Verwerfung zwischen Alt und Jung erleben. Danach beginnt das Ringen um knappe Mittel – und die Zinsen aus vermeidbaren Fehlinvestitionen in Aufrüstung könnten Deutschland letztlich erdrücken.
Was fehlt, ist eine strategische Einwanderungspolitik wie in Kanada oder Australien: ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis, gesund, 18 bis 30 Jahre alt, Single oder mit kleinen Kindern, ohne Eltern im Gepäck und mit begrenztem Familiennachzug – dazu eine gewisse Grundbildung. Auch eine enge staatliche Begleitung zur raschen Integration in Arbeit und Sozialsysteme fehlt weitgehend. Aus persönlicher Erfahrung und Betreuung von Unternehmern behaupte ich sogar – fehlt komplett!
Der politische Wille, dies aktiv und pragmatisch zu gestalten, ist vielerorts nicht erkennbar. Ein Dilemma, das direkte Auswirkungen auf Wachstum, Staatshaushalt und Investitionen hat.
Was bedeutet das für Anleger?
Einfach weitermachen wie bisher ist keine Option. Wer für die Zukunft vorsorgt, muss bereit sein, bekannte Muster zu verlassen. Die nächsten zehn Jahre werden geprägt sein von:
- neuen Gewichtungen: mehr Asien und Frontiermärkte, weniger Eurozentrismus
- ergänzenden Anlageklassen: Private Assets, Infrastruktur, grüne Investments
- verändertem Risikobewusstsein: Resilienz statt Maximierung – vor allem angesichts politisch beeinflusster Märkte
Wer das berücksichtigt, kann aus dem Umbruch eine Chance machen.
Wie das vergangene Quartal für uns Anleger verlaufen ist, wie der Ausblick auf das neue Quartal aussieht und welche Themen uns aktuell bewegen, haben meine Kollegen aus München für Sie zusammengestellt.
»Investmentnews – Kapitalmarkt-Ausblick 03/2025«
Ich wünsche Ihnen viel Freude und neue Erkenntnisse beim Lesen.
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Quellen u.a.: Natixis Investment Managers, Global Risks Report 2024, EY CEO Outlook, BIS, ECB, Bloomberg
(Hinweis: Der Artikel beruht auf Erkenntnissen aus einer für institutionelle Anleger konzipierten Publikation. Die Aussagen sind für private Leser aufbereitet und stellen keine Anlageberatung dar.)
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