Newsblog


Automatisiertes Rebalancing: Mehr Schaden als Nutzen?

ML • 11. September 2025

Rebalancing bedeutet, das ursprüngliche Verhältnis der verschiedenen Anlageklassen im Portfolio wiederherzustellen. Beispiel: Ein Anleger hat sein Vermögen zu 60 % in Aktien und zu 40 % in Anleihen investiert. Wenn die Aktienmärkte boomen, kann der Aktienanteil auf 70 % steigen – was auch die Risikostruktur des Gesamtportfolios verändert. Beim Rebalancing würden nun Aktien verkauft und Anleihen gekauft, um zurück zur 60/40-Aufteilung zu kommen.

Das klingt sinnvoll – zumindest in der Theorie.


Automatisiert wird dieses Prinzip von Robo-Advisors angewendet und ist inzwischen Standard in nahezu allen fonds­basierten Renten- und Lebensversicherungen. Weniger Aufwand, weniger Emotionen, mehr Disziplin – und nicht zuletzt eine vermeintlich optimale Risiko-Rendite-Balance durch regelmäßiges Rebalancing. Doch wie sinnvoll ist diese automatische Umschichtung wirklich?


Eine Studie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg hat bereits im Jahr 2020 genau diese Frage untersucht – mit einem überraschenden Ergebnis.


Automatisiertes Rebalancing bringt oft keinen Vorteil


Die Finanzwissenschaftler Matthias Horn und Prof. Dr. Andreas Oehler analysierten reale Haushaltsportfolios aus der PHF-Studie der Deutschen Bundesbank. Im Fokus: die Frage, ob automatisiertes Rebalancing – auch über klassische Aktien-Anleihen-Mischungen hinaus – tatsächlich zu einer besseren Portfolio-Performance führt.


Die Antwort fällt ernüchternd aus: „Die analysierten deutschen Haushalte hätten durch automatisiertes Rebalancing  im Zeitraum von 2010 bis 2015 keine messbaren Vorteile gegenüber  einer Buy-and-Hold-Strategie erzielt.“   Auch Untergruppen mit bestimmten sozioökonomischen Merkmalen – etwa höherer Bildung, größerem Vermögen oder anderem Alter – schnitten beim Rebalancing nicht signifikant besser ab.


Warum Rebalancing nicht die „Wunderwaffe“ ist


In einem kürzlichen Interview mit dem Spiegel betont Finanzforscher Matthias Horn erneut, dass viele das Thema Rebalancing deutlich überschätzen. Denn:


  • Die Risikoneigung ist nicht statisch. Wer mit Aktien hohe Gewinne erzielt hat, verkraftet zwischenzeitliche Rücksetzer oft leichter – sowohl psychologisch als auch finanziell.
  • Verkaufen heißt: Potenzial verschenken. Wer „übergewichtete“ Aktien verkauft, könnte sich weiteres Kurswachstum entgehen lassen.
  • Kosten fressen Rendite. Jede Umschichtung verursacht Kosten – etwa Handelsgebühren, Spreads oder Steuern. (In fonds­basierten Versicherungslösungen fallen diese Kosten meist nicht an.)


„Rebalancing versus Buy and Hold: Theory, Simulation and Empirical Analysis” (Jimmy E. Hilliard, 2015) Auch diese Studie kommt zu dem Resultat, dass Buy-and-Hold häufig eine höhere erwartete Rendite liefert als Portfolios, die regelmäßig rebalanced werden. Rebalancing senkt zwar typischerweise die Volatilität und verbessert das Risikoprofil, aber nicht zwangsläufig die Rendite.


Fazit


Rebalancing ist kein Allheilmittel. Und vor allem: Es ist nicht für jeden Anleger notwendig. Wer langfristig denkt, regelmäßig investiert und ein breit gestreutes Portfolio hält, muss nicht ständig an den Stellschrauben drehen.

Natürlich kann es sinnvoll sein, extreme Schieflagen zu korrigieren – etwa wenn ein Portfolio plötzlich zu 90 % aus Aktien besteht. Aber das sollte die Ausnahme bleiben, nicht die Regel. Weniger ist oft mehr. Übertriebener Aktivismus beim Rebalancing kann mehr schaden als nutzen – insbesondere, wenn er automatisiert, pauschal und ohne Rücksicht auf individuelle Lebensumstände erfolgt.


--

14.03.2015 | Auburn-Universität | Neugewichtung versus Kaufen und Halten: Theorie, Simulation und empirische Analyse

29.12.2020 | Journal of Asset Management, 2020 | Automatisierte Portfolio-Neugewichtung: Automatische Erosion der Anlageperformance?

30.07.2025 | Spiegel | Interview mit Finanzforscher Matthias Horn / Rebalancing ist nicht die Wunderwaffe (Bezahlschranke)

zurück

Hinweis: Die auf den Internetseiten von ihr-freier-finanzberter.de enthaltenen Angaben, Publikationen und Mitteilungen sind ausschließlich zur allgemeinen Information bestimmt. Sie sind keine individualisierte Empfehlung, insbesondere keine Anlage-, Vermögens-, Steuer- oder Rechtsberatung, und dürfen nicht als solche verstanden oder genutzt werden. Sie stellen keine Anlageberatung dar und sind auch nicht als solche aufzufassen. Allein verbindliche Grundlage eines Kaufs von Anteilen an offenen Investmentvermögen sind die jeweiligen gesetzlich erforderlichen Anlegerinformationen, auch bekannt als Basisinformationsblatt, und die Verkaufsprospekte. Wertentwicklungen der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für die künftige Wertentwicklung. Die tatsächlichen Entwicklungen und Ergebnisse können erheblich von den vergangenen Ergebnissen abweichen. Die Prüfung der Geeignetheit von Investmentfonds für Privatanleger hat allein durch den Vermittler zu erfolgen. Die auf den Internetseiten von ihr-freier-finanzberater.de enthaltenen Informationen habe ich sorgfältig recherchiert und geprüft, dennoch übernehme ich keine Haftung oder Garantie für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Angaben. Auf den Internetseiten von ihr-freier-finanzberater.de finden Sie Verweise (Links) zu anderen Seiten im Internet, die z. B. als Quellenangaben dienen. Ich habe keinen Einfluss auf die Gestaltung und den Inhalt dieser Internetseiten. Artikel im Blog, die durch den Post-Autor »AI« gekennzeichnet werden, sind ganz und bei der Angabe ML+AI in Teilen AI-generated content. Die Haftung im Kontext der Nutzung der Informationen, der Verweise, des Vertrauens auf deren Richtigkeit oder des Betriebs der Internetseite Dritter ist ausgeschlossen.