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Anwaltskosten und Gerichte werden wieder teurer

Teures Recht
Die Deutschen gelten in der EU allgemein als sehr streitlustig. Traditionell hat Deutschland eine hohe Anzahl an Zivilklagen pro Kopf. Zwar ist die Zahl rückläufig, aber sie liegt weiterhin deutlich über Ländern der EU wie Schweden, Spanien oder Niederlande. Als Hauptgrund wird dafür häufig ein strukturelles Umfeld, das das Klagen begünstigt, angegeben.
Eine Analyse des Versicherer-Gesamtverbands GDV zeigt, wie stark die Kosten für Zivilklagen in den vergangenen Jahren gestiegen sind. So kostete ein typischer Prozess zur Rückabwicklung eines Autokaufs 2020 rund 8.310 EUR – heute liegt der Betrag bei 11.109 EUR. Das entspricht einem Plus von 34 Prozent. Wer wegen einer gefälschten Armbanduhr klagt, muss sogar 43 Prozent mehr zahlen als vor fünf Jahren.
Haupttreiber dieser Entwicklung sind die gestiegenen Anwalts- und Gerichtsgebühren, die zuletzt zum 1. Juni erneut angehoben wurden. Auch die Inflation spielt eine Rolle: Sie treibt die Streitwerte nach oben – und damit auch die Gebühren und folglich die Beiträge der Rechtsschutzversicherung.
🛡️ Ohne Rechtsschutz? Oft kein Recht!
Für Menschen ohne Rechtsschutzversicherung sind diese Summen abschreckend. Laut einer Umfrage im Auftrag des Bundesjustizministeriums geben Anwälte an, dass in 60 Prozent der Fälle aus Kostengründen auf eine Klage verzichtet wird. Recht haben – aber es sich nicht leisten können, Recht zu bekommen: ein beunruhigender Befund.
Anwälte verdienen – auch bei Niederlagen
Ein oft übersehener Punkt: Anwälte verdienen unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. Ob gewonnen oder verloren – die Gebühren fallen an. Entsprechend wird in der Praxis häufig zur Klage geraten – auch weil der Klageweg eine verlässliche Einnahmequelle für Kanzleien darstellt. Umso wichtiger ist es, nicht vorschnell zu klagen, sondern realistisch die Erfolgsaussichten zu prüfen.
Rechtsschutz ist kein Freifahrtschein
Auch mit einer Rechtsschutzversicherung kann ein Rechtsstreit teurer werden als erwartet. Wer dem Rat seines Anwalts folgt und den Klageweg einschlägt, sollte nicht ohne Rücksprache mit der Versicherung einem Vergleich zustimmen. Denn in solchen Fällen kann die Versicherung die Kostenübernahme kürzen oder ganz verweigern. Gleiches gilt, wenn unnötig hohe Anwaltskosten entstehen oder Maßnahmen ergriffen werden, die nicht abgesprochen sind. Eine Rechtsschutzversicherung schützt also nicht vor jeder finanziellen Überraschung – sie setzt eigenverantwortliches Handeln voraus.
🤝 Ombudsstelle statt Richterbank
Was viele nicht wissen: Zahlreiche Konflikte lassen sich auch außergerichtlich und kostengünstig klären. Es gibt Ombudsstellen, Schlichtungsstellen und unabhängige Beschwerdeinstanzen – zum Beispiel:
- Versicherungsombudsmann bei Ärger mit der Versicherung
- Ombudsstelle der privaten Banken
- Ombudsstelle für Investmentfonds
- Unabhängige Patientenberatung und Beschwerdestellen der Ärztekammern
- Anlaufstellen bei gesetzlichen Krankenkassen und Pflegekassen
Diese Institutionen helfen häufig schnell, unbürokratisch und kostenlos – und schonen dabei Nerven und Portemonnaie.
Besonderheit Arbeitsrecht: Hohe Kosten schon in der ersten Instanz
Ein Sonderfall ist der Arbeitsrechtsschutz. Hier gilt: Selbst bei einem gewonnenen Verfahren trägt jede Partei in der ersten Instanz ihre eigenen Anwaltskosten. Wer sich gegen eine Kündigung oder um Lohnansprüche wehrt, steht also sofort vor finanziellen Hürden. Gerade in diesen Fällen ist eine Rechtsschutzversicherung sinnvoll – oder alternativ eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, die in vielen Fällen rechtliche Beratung und Vertretung übernimmt.
⚖️ Neuer Trend als Alternative: Prozessfinanzierer statt Versicherung
Immer häufiger bieten spezialisierte Anbieter an, vielversprechende Klagen vollständig zu finanzieren. Die Prüfung des Falls erfolgt in der Regel kostenfrei. Wird der Fall übernommen, trägt der Prozessfinanzierer sämtliche Kosten – auch im Falle einer Niederlage. Im Erfolgsfall wird ein Teil des erstrittenen Betrags einbehalten, meist als prozentuale Gewinnbeteiligung. Für Kläger bedeutet das: kein Kostenrisiko, aber auch kein voller Anspruch auf den gesamten Betrag.
🏛️ Zugang zum Recht darf keine Frage des Einkommens sein
Auch wer sich keinen Anwalt leisten kann, muss nicht rechtlos bleiben. In Hamburg bietet die ÖRA – Öffentliche Rechtsauskunft und Vergleichsstelle kostengünstige Rechtsberatung für Menschen mit geringem Einkommen. Zusätzlich engagiert sich die Rechtsklinik der Bucerius Law School, in der Jurastudierende unter Anleitung ehrenamtlich beraten. Der Rechtsstaat lebt davon, dass alle ihn nutzen können – unabhängig vom Kontostand.
Fazit: Nicht existenziell – aber manchmal sehr hilfreich
Die Rechtsschutzversicherung ist keine existenzielle Absicherung. Vorrang haben immer andere Risiken: etwa Berufsunfähigkeit, Haftpflicht, Krankheit und Altersvorsorge. Wer diese Grundlagen abgedeckt hat, kann über eine Rechtsschutzversicherung nachdenken – besonders, wenn berufliche Konflikte wahrscheinlich sind oder man in anderen Bereichen gerne auf Augenhöhe streitet.
Wichtig bleibt: Rechtsschutz ersetzt nicht den gesunden Menschenverstand – und schon gar nicht eine kluge Konfliktvermeidung. Wer sich keine Rechtsschutzversicherung leisten kann, sollte den Kopf nicht in den Sand stecken. Es gibt kostenlose Ombudsleute, Beschwerdestellen, Prozessfinanzierer, die Öffentliche Rechtsauskunft und Legal-Tech-Angebote – und das in immer mehr Lebensbereichen.
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26.01.2025 | RND | Zahl der Zivilklagen stark gesunken – Deutscher Prozesshansel adé?
01.07.2025 | Europäische Kommission | EU-Justizbarometer 2025
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